Unternehmenssanktionen und Regress am Beispiel von Cum/Cum- und Cum/Ex-Transaktionen: Erste zivilgerichtliche Entscheidungen [Teil 1]

Rechtsanwalt Dr. Alexander Reuter, Köln

Einleitung

In den Medien ist breit über die Cum/Ex- und sodann auch über die Cum/Cum-Transaktionen berichtet worden, an denen sich viele Banken und Investoren in der Vergangenheit beteiligt haben. Die Fälle haben zu umfang-reichen Verfahren der Finanzbehörden geführt, die auch bereits in eine ganze Reihe von Rückforderungsbescheiden gegen unterschiedlichste Beteiligte gemündet (z.B. Investoren, Fonds, Banken und Depotbanken). Bei Cum/Ex gibt es auch weitreichende Ermittlungen der zuständigen Staatsanwaltschaften. Insbesondere die Ermittlungen, die schwerpunktmäßig von der Staatsanwaltschaft Köln vorangetrieben werden, nähern sich, wie berichtet wurde, offenbar ihrem Abschluss. Dies wird nicht nur zu strafrechtlichen Sanktionen, sondern auch wieder zu steuerrechtlichen Rückforderungen führen.
Es nimmt vor diesem Hintergrund nicht Wunder, dass mittlerweile auch zivilrechtliche Verfahren bekannt geworden sind, in denen es darum geht, wer die Lasten tragen muss, die mit den steuerlichen Zahlungsbescheiden für die betroffenen Finanzinstitute oder Investoren einhergehen. Wie immer, ziehen steuer-, straf- oder zivil-rechtliche Lasten, die einem Unternehmen auferlegt wer-den, die Frage nach sich, ob das Unternehmen die auferlegten Lasten auf Dritte weiterwälzen kann. Einigen instanzgerichtlichen Regressverfahren vor den Zivilgerichten lassen sich erste Wegweiser für diese Regress-fragen entnehmen, aber auch Rückschlüsse auf die zugrunde liegende Haftung ziehen:

1. Managerhaftung

a) Landgericht Essen

Das Landgericht Essen (Urt. v. 08.07.2015, 42 O 4/14) hatte die Frage zu entscheiden, ob der Vorstand einer Bank, die sich 2011 als Anteilseigner an einem Cum/Ex – Fonds beteiligte, nach § 93 AktG haftet, weil dem Fonds die KSt-Erstattung später verweigert wurde und die Bank infolgedessen mit ihrem Engagement in den Fonds aus-fiel. Das LG verneinte die Haftung, weil der Vorstand sich ordnungsgemäß über die Risiken informiert und sie ab-gewogen hatte. Die Risikoabwägung wiederum hielt das LG mit folgender Begründung für vertretbar:

„Stand aus Sicht des [Vorstands] das [später verwirklichte] Risiko zu bewerten, ob die Finanzämter von ihrer bis-herigen Praxis ohne weitere Gesetzesänderung abwichen und die Frage der Kapitalertragssteuererstattung restrikti-ver handhabten oder der Gesetzgeber die Rechtslage rückwirkend änderte, so war dies eine Prognoseentschei-dung, bezüglich derer nicht zu erwarten stand, dass die Einholung weiterer Sachverständigengutachten zu einer weiteren Sachaufklärung führen würde. … Unter Berück-sichtigung aller in Betracht zu ziehenden Faktoren kommt die Kammer bei der Abwägung zu dem Ergebnis, dass die Investition in den [Fonds] gerade noch- von dem weiten unternehmerischen Ermessen, das § 93 I, II AktG zubilligt, gedeckt war. So ist nicht erkennbar, dass dem Kläger bezüglich der Abschätzung des Ausfallrisikos ein sich aufdrängender Bewertungsfehler unterlaufen ist. … Tatsächlich war es in der Vergangenheit seitens der Fi-nanzämter bei der bestehenden Rechtslage in erheblichem Umfang zu erheblichen Kapitalertragssteuererstattungen gekommen. … Über das Jahrzehnt hatte sich in der maßgeblichen Rechtswelt nicht der klare Leitsatz durchgesetzt, dass unabhängig von dem Wortlaut der Steuer- Gesetze eine Kapitalertragssteuererstattung bei einmaliger Zahlung auch nur einmal erfolgen kann. Eine Vielzahl von Cum/Ex- Geschäften wurde erfolgreich durchgeführt, so auch bei der Beklagten bei [vorange-gangenen Investitionen in derartige Fonds]. Dass das Finanzamt nunmehr vor Gesetzesänderung bereits seine Praxis änderte, musste sich dem Kläger nicht aufdrängen. Das zeigt letztlich indiziell auch die Vielzahl der Personen, die sich für eine Investition in T3 entschieden haben, darunter auch die Aufsichtsratsmitglieder der Beklagten und namhafte Investoren wie N und N1. Über die moralische Seite dieser Investition ist im Rahmen einer Schadensersatzforderung nach § 93 I, II AktG nicht zu befinden.“

Das Verfahren ist derzeit vor dem OLG Hamm anhängig.

[Fortsetzung folgt]

Der Verfasser ist Partner bei GÖRG und beschäftigt sich mit Gesellschaftsrecht und allen Fragen der Managerhaftung und Unternehmenssanktionierung.

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