Verbandssanktionen und Compliance: Haftungs- und zivilrechtliche Folgen von Cum/Cum- und Cum/Ex-Geschäften - Neue Entwicklungen

Prof. Dr. Alexander Reuter und Dr. Yorick M. Ruland
Rechtsanwälte

A. Ausgangslage

I. Cum/Cum

Verschiedene deutsche institutionelle Investoren („Investoren“) haben in der Vergangenheit Wertpapiere an in- und ausländische Banken („Vertragspartner“) übertragen und erhielten ihrerseits als Wertausgleich und/oder Si-cherheit dividendenberechtigte Aktien an deutschen Akti-engesellschaften. Am Dividendenstichtag vereinnahmten die Investoren als wirtschaftliche Eigentümer der Aktien die betreffenden Dividenden, und zwar ohne Abzug (bzw. mit Rückerstattung) von Kapitalertragsteuer und SolZ, die aber bei den Vertragspartnern angefallen wären. Dieser Vorteil floss in die Bemessung der Entgelte für das Geschäft ein und kam so wirtschaftlich auf der Grundlage der Verträge beiden Seiten zugute.

Die Finanzverwaltung hat diese Geschäfte jahrelang gekannt und nicht beanstandet. In einem Rundschreiben vom 17. Juli 2017 vertritt das Bundesfinanzministerium (BMF) aber mittlerweile die Position, vielfach liege ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten (Gestaltungsmissbrauch) im Sinne des § 42 Abs. 2 AO vor. Zum Teil sei auch das wirtschaftliche Eigentum an den dividendenberechtigten Aktien nicht an die Investo-ren übergegangen. Diese Position führt oftmals zu Steu-ernachforderungen der Finanzbehörden, zu denen erheb-liche Verspätungszinsen hinzukommen können.

Die Finanzbehörden machen die betreffenden Forderun-gen typischerweise zunächst in Betriebsprüfungen gel-tend und verweisen häufig strikt auf das Rundschreiben des BMF. Die Investoren setzen sich in unterschiedlicher Intensität steuerrechtlich zur Wehr: Soweit ersichtlich, ist auf der Grundlage des vorgenannten BMF-Rundschreibens jedoch noch kein Urteil ergangen.

II. Cum/Ex

Cum/Ex-Geschäfte unterscheiden sich deutlich von Cum/Cum-Geschäften, auch wenn auch dort die Rückerstattung einbehaltener Kapitalertragsteuer auf Dividendenzahlungen eine Rolle: Typischerweise veräußerte ein Leerverkäufer Aktien, die er zum Zeitpunkt des Verkaufs noch nicht hatte. Diese Leerverkäufen wurden um den Zeitpunkt der Dividendenzahlung terminiert, und sowohl der Leerverkäufer als auch der Inhaber der Aktien, von dem der Leerverkäufer die Aktien nach dem Dividendentermin erwirbt, als auch der Käufer erhielten Steuerbescheinigungen. Teilweise wurden die Geschäfte vervielfältigt. Aus Sicht des Fiskus widerspricht die doppelte oder mehrfache Rückerstattung dem Umstand, dass die Aktiengesellschaft die Kapitalertragsteuer nur einmal zahlte. Derzeit ist eine Fülle von Strafverfahren wegen dieser Geschäfte anhängig, u.a. seit August 2019 vor dem Landgericht Bonn.

III. Zivilrechtliche Folgen: Ausgleichs- und Ersatzansprüche aufgrund aberkannter Anrechnungsansprüche

Die Diskussion und die zahlreichen Strafverfahren zu Cum/Ex-Geschäften haben vor allem den Schaden und die Nachforderungen des Fiskus im Blick. Ungeachtet der steuerrechtlichen Lage müssen sich die Beteiligten aber fragen, welche zivilrechtlichen Folgen die Nachforderungen des Fiskus haben. Hier geht es z.B.

  • um die Frage, ob der an der Transaktion Beteiligte, der vom Fiskus in Anspruch genommen worden ist, andere Beteiligte auf vertraglicher Grundlage in Re- gress nehmen kann oder allein auf dem Schaden „sitzen“ bleibt,
  • um Regressansprüche wegen fehlerhafter Beratung durch die Counterparty oder andere und
  • um Schadensersatz des betroffenen Unternehmens gegen handelnde Mitarbeiter bzw. D&O – Versiche-rer.

Zu allen Spielarten gibt es bereits Auseinandersetzungen und Verfahren (vgl. unsere früheren Updates). Dies nimmt nicht wunder, denn der Fiskus nimmt nicht diejeni-ge(n) Partei(en) auf Steuernachzahlung in Anspruch, bei denen dies nach der zivilrechtlichen Verantwortungsver-teilung geboten wäre. Der Fiskus geht dort vor, wo er am leichtesten zum Ziel kommt.

Die Selektion des Fiskus zieht notwendig zivilrechtliche Auseinandersetzungen nach sich.

B. Mögliche Anspruchsgrundlagen + Verjährung

Wie in unseren früheren Legal Updates ausgeführt, kommen mehrere Grundlagen für Ausgleichsansprüche in Betracht, wenn sich die ursprünglich erwarteten steuerlichen Konsequenzen zu Lasten der Investoren ändern, z.B. Ansprüche aus ergänzender Vertragsauslegung, aus Wegfall der Geschäftsgrundlage, bereicherungsrechtliche Ansprüche oder Ansprüche aus Beratungshaftung.

Die Klärung der steuerrechtlichen Lage wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Von besonderer Bedeutung ist daher für die Marktteilnehmer, die der Fiskus in Anspruch nimmt, wie sie ihre Regressansprüche wahren und Verjährung verhindern.

Hinsichtlich des Verjährungsbeginns dieser Ansprüche stellen sich mehrere Fragen, die sich nur anhand des Sachverhalts im Einzelfall beantworten lassen. Zu weite-ren Einzelheiten vgl. unsere vorangegangenen Updates.

C. Neue Entwicklungen

I. Intensivierte Zusammenarbeit zwischen BaFin und Finanzbehörden

Nach der Antwort des Bundesfinanzministeriums vom 14.01.2019 (IV C 1 – S 2252/09/10003 : 078) auf eine Kleine Anfrage der BT-Fraktion der Linken hat die BaFin nach der Änderung des §§ 9 Abs. 5 Satz 1 KWG (Locke-rung der Verschwiegenheitspflichten der BaFin) sämtliche Akten der von ihr beaufsichtigten Unternehmen mit relevanten steuerstrafrechtlichen Sachverhalten im Zusammenhang mit Cum/Ex – Geschäften zusammengeführt. Auf Initiative der BaFin sei im Februar 2016 der Kontakt zur Steuerfahndung in Nordrhein-Westfalen etabliert worden, da diese bei Cum/Ex – Sachverhalten eine koordinierende Rolle unter den Finanzbehörden einer Reihe von Bundesländern übernommen hat. Die BaFin und die Steuerfahndung in Nordrhein-Westfalen hätten sich intensiv ausgetauscht und abgestimmt. Die BaFin habe den Finanzbehörden alle bis Juli 2016 relevanten Fälle zu Cum/Ex-Sachverhalten übermittelt. Im Zuge dieser Zu-sammenarbeit habe die BaFin den Steuerbehörden der Länder in insgesamt 31 Fällen Auskunft erteilt, und die Finanzbehörden Nordrhein-Westfalens hätten zugesagt, alle Unterlagen an die Finanzbehörden weitere Bundesländer zu übermitteln. Darüber hinaus gebe es seit No-vember 2015 Meldungen über Cum/Ex – Sachverhalte von einzelnen, von der BaFin beaufsichtigten Instituten an die die Länder-Finanzbehörden. Darüber hinaus tau-sche sich die BaFin mit dem Bundeszentralamt für Steu-ern (BZSt) im Zusammenhang mit Cum/Ex- und „vergleichbaren Geschäften“ zusammen.

II. Aufsichtsrechtliche Konsequenzen

Das BMF weist auch darauf hin, dass „aufsichtlich relevante Steuerstraftaten oder andere Verstöße“ von Finan-zinstituten nicht nur steuerliche Konsequenzen nach sich zögen, sondern von der BaFin auch „aufsichtspraktisch behandelt“ würden. Ob durch die Durchführung von Cum/Ex – Geschäften im Einzelfall Straftatbestände unter Billigung oder auf Veranlassung der Geschäftsleiter des Instituts verwirklicht worden sind, ist nach der BMF-Antwort auf die Kleine Anfrage durch die Strafverfolgungsbehörden zu bewerten. Die Beurteilung, ob auch unterhalb der Schwelle zur Strafbarkeit Umstände vorlägen, die auf die persönliche Unzuverlässigkeit der Geschäftsleiter schließen lassen, sei nur im jeweiligen Einzelfall möglich. Habe ein Geschäftsleiter „wissentlich und willentlich systematischen Steuerbetrug oder Beihilfe dazu in seinem Institut zugelassen“, werde seine Zuverlässigkeit regelmäßig zu verneinen sein. Seien strafbare Handlungen innerhalb des Instituts ohne Kenntnis und Billigung der Geschäftsleiter begangen worden, so könn-ten die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung und damit die fachliche Eignung in Frage stellen.

Bereits im Vorfeld bevorstehender bankaufsichtsrechtlicher Maßnahmen habe es Fälle gegeben, in denen Geschäftsleiter aus eigener Entscheidung zurückgetreten seien. Bei einem Institut habe das betreffende Anhörungsschreiben der BaFin zu dessen Rücktritt geführt. In 4 weiteren Fällen sei die Aufarbeitung von Cum/Ex – und „ähnlichen Geschäften“ aufsichtlich besonders eng be-gleitet worden, ohne dass sich jedoch ein „aufsichtlicher Handlungsbedarf“ ergeben habe.

III. Bestandserhebungen der BaFin / Zusammenarbeit mit der EZB und der Bundesbank

Die BMF-Antwort weist jedoch auch darauf hin, dass es die Europäische Zentralbank sei, die seit November 2014 die für die Aufsicht über die bedeutenden Kreditinstitute in Deutschland zuständig sei (§ 6 Abs. 1 KWG). Die BaFin sei nur für die übrigen, weniger bedeutenden Institute zuständig. Informationen über die Kreditinstitute, die von der EZB beaufsichtigt würden, erlange die BaFin daher nur über ihre Mitwirkung in den Aufsichtsteams (Joint Supervisory Teams) aus EZB, Bundesbank und BaFin.

Entsprechend sei das Auskunftsersuchen über Cum/Ex – Geschäfte der BaFin vom Februar 2016 an die bedeutenden Kreditinstitute über die zuständigen Joint Supervisory Teams versandt worden. Zur gleichen Zeit habe die BaFin ihr weiteres Auskunftsersuchen an Kapitalverwaltungsgesellschaften versandt. In gleicher Weise sei die BaFin zu „ähnlichen Geschäften“ tätig geworden, nämlich in Bezug auf Cum/Cum – Geschäfte durch eine entsprechende Umfrage bei den deutschen Instituten von Juli 2017.

IV. Erkenntnisse der Bestandserhebung zu Cum/Cum – Geschäften

Bekanntlich hatte die BaFin-Abfrage von 2017 zu Cum/Cum – Geschäften bei allen 1600 deutschen Institu-ten ergeben, dass 85 Institute in Cum/Cum-Gestaltungen involviert gewesen zu sein. Eine Reihe von Instituten erwartet Steuernach- oder Strafzahlungen.

V. „Klassische“ Wertpapierdarlehen / Wertpapierleihen

Für klassische Wertpapierdarlehen/Wertpapierleihen erläutert das BMF in seiner Antwort vom 14.01.2019 in dessen nochmals, dass dort der Darlehensgeber weiter-hin das wirtschaftliche Risiko für einen Kursverlust der übertragenen Aktien. Darüber hinaus sei bei einem klas-sischen Wertpapierdarlehen/Wertpapierleihe der Darle-hensnehmer regelmäßig verpflichtet, dem Darlehensge-ber für die während der Darlehenslaufzeit entgangenen Dividenden einen Ausgleich zu zahlen (Kompensations-zahlung). (Nur) wenn demgegenüber das Risiko für einen Kursverlust und die Verpflichtung zur Leistung einer Kompensationszahlung fehle, dürfe der Darlehensnehmer die auf Dividenden einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht anrechnen.

Entsprechend werden nach der BMF-Antwort vom 14.01.2019 Cum/Cum – Geschäfte mittels anderer als der beschriebenen Gestaltungen durch die Novellierung des §§ 36 a EStG verhindert. Nach der Neuregelung ist die Anrechnung der auf Dividenden erhobenen Kapitalertragsteuer bekanntlich ausgeschlossen, wenn der Steuerpflichtige kein „bestimmtes“ Risiko aus Wertänderungen trägt, oder wenn der Steuerpflichtige verpflichtet ist, die Dividenden ganz oder überwiegend einer anderen Person zu vergüten.

VI. ADRs rücken in den Fokus

Ende 2018 wurde die Aufmerksamkeit durch Medienbe-richte auf sog. American Depository Receipts (ADR) gelenkt. American Depositary Receipts (ADR). Dies sind Papiere, die von Banken ausgestellt und in den USA stellvertretend für ausländische Aktien gehandelt werden. Normalerweise unterliegt einem ADR eine tatsächliche Aktie. Mittlerweile wird in den Medien der Verdacht geäußert, in den USA ADR ohne Aktienunterlegung emittiert zu haben („Cum-Fake“). Nach Ansicht des BMF dürfen Steuerbescheinigungen für ADR ausschließlich dann ausgestellt werden, wenn sich die zu Grunde liegenden Aktien tatsächlich im Depot des jeweiligen Instituts befänden und für die die Kapitalertragsteuer auf die dem ADR zugrundeliegende Aktie abgeführt worden sei. Sollten Bescheinigungen dennoch beantragt und ausgestellt worden sein, liege ein klarer Gesetzesverstoß vor

Zu Geschäften mit ADR hat die BaFin nach der BMF-Auskunft vom 14.01.2019 „ausgewählte Kreditinstitute und Wertpapierhandelsbanken sowie die Kapitalverwaltungsgesellschaften“ im Dezember 2018 um Auskunft ersucht.

Nach der BMF-Antwort vom 14.01.2019 nehmen sich die Behörden jetzt auch der ADRs an. Hier würden möglicherweise Gestaltungen auf dem US-Wertpapiermarkt praktiziert, die nicht mit Aktien unterlegt seien und das Ziel verfolgten, bei inländischen Hinterlegungsstellen Steuerbescheinigungen über tatsächlich abgeführte Kapitalertragsteuer zu Lasten anderer ADR-Inhaber zu erlangen und diese Steuerbescheinigungen im Rahmen des Erstattungsverfahrens zu verwenden.

VII. Stand der strafrechtlichen Verfahren bei Cum/Ex (Überblick)

Nach der BMF-Antwort verteilen sich die Verdachtsfälle, denen die Strafermittlungsbehörden derzeit bei Cum/Ex – Geschäften nachgehen, wie folgt, ohne dass eine Über-sicht darüber besteht, in wie vielen dieser Fälle bereits Anklage erhoben wurde (dazu unten VIII):

Bayern: 27 Verdachtsfälle, Gesamtvolumen: € 565 Mio.
Berlin: 2 Verdachtsfälle, Gesamtvolumen: € 2 Mio.
Baden-Württemberg: 8 Verdachtsfälle, Gesamtvolumen: € 196 Mio.
Hamburg: 25 Verdachtsfälle, Gesamtvolumen: € 376 Mio.
Hessen: 88 Verdachtsfälle, Gesamtvolumen: € 1,4 Mrd.
Nordrhein-Westfalen: 268 Verdachtsfälle, Gesamtvolumen: € 3,2 Mrd..

Die der Aufsicht der BaFin unterstehenden Institute ha-ben nach der BMF-Antwort insgesamt Rückstellungen von € 240 Mio wegen möglicher Verpflichtungen aus Cum/Ex – Verfahren gebildet.

VIII. Erste Anklage wegen Cum/Ex zugelassen (LG Bonn)

Nach einer Pressemitteilung des LG Bonn vom 17.06.2019, hat die Staatsanwaltschaft Köln hat unter dem 02.04.2019 beim LG Bonn (12. große Strafkammer) gegen zwei britische Staatsangehörige erhoben. Sie wirft den beiden die Beteiligung an sogenannten Cum/Ex-Geschäften vor. In diesem Zusammenhang sollen die Angeschuldigten mit weiteren gesondert verfolgten Per-sonen von Mitte 2006 bis Frühjahr 2011 zunächst im Rahmen ihrer Tätigkeit für ein großes Kreditinstitut und danach für eine Asset-Management-Gruppe Straftaten begangen haben. Die Staatsanwaltschaft geht von einer Beteiligung an 34 Fällen der besonders schweren Steu-erhinterziehung aus, wobei es in einem Fall beim Versuch geblieben sein soll. Der Schaden soll sich laut Staatsanwaltschaft auf insgesamt über 440.000.000 Euro belaufen.

Nach dem sogenannten Zwischenverfahren hat das LG Bonn am 16.07.2019 die Anklage der Staatsanwaltschaft zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfah-ren eröffnet. Das Gericht hat in seinem Eröffnungsbe-schluss mehrere Hinweise erteilt und insbesondere an-geordnet, dass ein Sachverständigengutachten u.a. zu der Frage eingeholt werden soll, welche Instrumente zur Kurssicherung am Wertpapiermarkt verfügbar sind, wie der Markt dafür aussieht und wie der Marktzugang gere-gelt ist. Im Einzelnen hat das Gericht dazu u.a. ausgeführt:

„Für CumEx-Konstellationen ist zum Teil prägend, dass Aktien leer verkauft wurden und der Erwerber die erwor-benen Aktien nur für kurze Zeit hielt. Zur Ausklammerung des Kursrisikos sind dabei vielfach parallel Terminge-schäfte abgeschlossen worden. Die hierbei vereinbarten Preise sind im Rahmen der Hauptverhandlung darauf zu untersuchen, ob sie die am Terminmarkt üblichen, preis-relevanten Faktoren abbilden. Im Fokus steht dabei die Frage, inwieweit eine während der Laufzeit erfolgende Dividendenzahlung im konkret vereinbarten Preis des Termingeschäfts „korrekt“, d.h. den für die Preisbildung typischerweise geltenden Regeln entsprechend, abgebildet ist.“
Mittlerweile hat die Hauptverhandlung in der Angelegen-heit begonnen. Die beiden ehemaligen Aktienhändler sind wegen besonders schwerer Steuerhinterziehung angeklagt. Die Kölner Staatsanwaltschaft wirft ihnen in der Anklageschrift vor, ihr Geschäftsmodell sei „auf der betrügerischen Erlangung von Steuergeldern basiert“ gewesen. Nebenbeteiligte in dem Verfahren sind fünf Finanzinstitute gemäß § 73b StGB. Die Vorschrift regelt, dass Gewinne aus illegalen Geschäften nicht nur vom Täter, sondern auch von Dritten eingezogen werden können, die davon profitiert haben. Laut einem Medienbericht könnte es dabei um knapp 390 Millionen Euro gehen.

D. Cum/Cum – Rückforderungen des Fiskus ha-ben begonnen

Die Finanzverwaltungen haben im Cum/Cum-Bereich schon vor einiger Zeit begonnen, beteiligten Unterneh-men Rückforderungsbescheide zuzustellen. Auch die Presse berichtet hiervon. Nach verschiedenen Berichten beabsichtigt die bayerische Finanzverwaltung von Banken und Börsenhändlern nachträglich 639 Millionen EUR an Steuern zu fordern. Mehr als die Hälfte dieser Summe – nämlich 352 Millionen – sollen die Finanzämter nach diesen Berichten noch dieses Jahr zurückfordern, wobei sich die genannten Zahlen offenbar sowohl auf Cum/Cum- als auch auf Cum/Ex-Geschäfte beziehen.

E. Schadensersatzprozess aus Beraterhaftung

Der Insolvenzverwalter der Maple Bank hat nach Pres-semeldungen im Dezember 2018 die Kanzlei, die die Bank beraten hatte, mit der Behauptung auf EUR 95 Mio. Schadensersatz verklagt, die Kanzlei habe die Bank bei Cum/Ex – Transaktionen fehlerhaft beraten (LG Frankfurt, 2-05 O 22/19). Die Bank ging 2016 in Insolvenz, nachdem die Finanzverwaltung EUR 450 Mio. an Steuernachzahlungen geltend gemacht hatte. Die Bank hatte sich zwischen 2006 und 2010 in Cum/Ex – Geschäften engagiert. Im August 2019 haben die Parteien sich vergleichsweise auf eine Zahlung von EUR 50 Mio. geeinigt. Der Insolvenzverwalter verfolgt weitere Ansprüche gegen Management und Abschlußprüfer.

F. Weiteres Vorgehen

Geltend gemacht werden müssen Ansprüche aber mög-licherweise noch in diesem Jahr, denn zum Dezember 2019 kann jedenfalls bei Ansprüchen aus Beratungsfeh-lern die Dreijahresfrist der üblichen Verjährung ablaufen, wenn man mit dem Argument auf das BMF-Schreiben von 2016 abstellen muss, nach dem Schreiben habe ein steuerrechtlicher Fehlschlag der Geschäfte zumindest als möglich erscheinen können.

Im Auge zu behalten ist dabei die Pflicht von Geschäfts-leitern, Ansprüche ihres Unternehmens zu wahren. Das gilt natürlich auch für Regressansprüche.

Geschäftsleiter und Aufsichtsorgane von Investoren und Anlegern, aber auch von in Anspruch genommenen Un-ternehmen, müssen daher

  • ungeachtet einer steuerlichen Auseinandersetzung mit dem Fiskus und
  • bei Cum/Ex ungeachtet strafrechtlicher Auseinandersetzungen
    prüfen, ob und gegen wen Ansprüche oder Regressansprüche bestehen können, und ob gegebenenfalls Maß-nahmen zur Rechtsverfolgung bzw. Verjährungshem-mung zu ergreifen sind. An die Rechtswahrung stellen sich besondere Anforderungen, weil finanzgerichtliche Verfahren keine Streitverkündung kennen und weil die steuerrechtliche Lage mit der zivilrechtlichen Lage eng verflochten ist, die steuerrechtliche Argumentation daher die zivilrechtliche Lage (z.B. bei der Frage des wirtschaftlichen Eigentums) berücksichtigen muss. Über die zivilrechtliche Lage und Risikoverteilung können die Beteiligten aber unterschiedlicher Ansicht sein.
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