Allgemein

Die ESG-Regeln der EU: Multiple verbundene Eingriffe mit unverhältnismäßigen Folgen

Am 01.06.2023 hat das EU-Parlament den Entwurf der Corporate Sustainability Due Diligence Directive[1] (CSDDD) auf den Weg gebracht. Die CSDDD soll eine weitere zentrale Säule des Regelungsgebäudes für „Corporate Social Responsibility“ (CSR) und „Environment/Social/Governance“ (ESG) werden, das die EU derzeit errichtet. Im Folgenden soll zunächst Überblick über die Vorschriften vermittelt werden. Die Vorschriften erweitern und schärfen den Begriff der „Nachhaltigkeit“ erheblich und machen sich die Instrumente der Rechnungslegung und des Gesellschaftsrechts dienstbar[2]. Zweck ist es, Investitionen zu lenken, die gesamte EU-Volkswirtschaft zu transformieren, die Unternehmen hierzu in die Pflicht zu nehmen und Dritten Klagemöglichkeiten einzuräumen. Die Vorschriften bringen hohe Kosten und sonstige Belastungen für die Unternehmen mit sich. Vielfach sind die Regeln freilich für den Schutz von Klima, Umwelt und Menschrechten weder notwendig, noch geeignet; dies gilt insbesondere für den Bereich der „Governance“. Dies rückt den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in den Blick, der dem Gesetzgeber auf EU- und nationaler Ebene Schranken setzt. Die Unternehmen sollten im anstehenden politischen Prozess darauf pochen, dass die Verhältnismäßigkeit gewahrt wird. Das gilt nicht nur für die CSDDD, sondern auch für die die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichtserstattung der Unternehmen[3] (Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)) und ihre Umsetzung.

[1] Vorschlag für eine Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2019/1937, COM/2022/71 final, Dokument 52022PC0071, Ziff. 1 der Begründung.

[2] Vgl. Schön, „Nachhaltigkeit“ in der Unternehmensberichterstattung, ZfPW 2022, 207, 210, auch zu den internationalen Bezügen.

[3] Richtlinie 2013/34/EU vom 26.06.2013 in der Fassung der Richtlinie (EU) 2022/2464 vom 14.12.2022 („Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung“ oder „Corporate Sustainability Reporting Directive [CSRD]“)

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Befreit vernünftige Organisation die Geschäftsleitung von Haftung? OLG Nürnberg zu Vier-Augen-Prinzip und Compliance Management Systemen

Nach der Business Judgment Rule („BJR“) haften Unternehmensorgane nicht, solange ihre Entscheidungen „vernünftig“ vorbereitet und begründet sind und das Unternehmen „vernünftig“ organisiert ist. Organisation ist nicht „alles“, bietet dem Geschäftsleiter aber die Chance, unternehmerisch zu führen, ohne sich in Haftung zu verstricken. Was eine vernünftige Organisation ist, ist zunächst ebenfalls eine unternehmerische Frage. Ein Entscheid des OLG Nürnberg von 2022 macht aber deutlich, dass die Gerichte nicht davor zurückscheuen, organisatorische Standards aufzustellen. Das steht im Einklang mit der wachsenden Neigung des Gesetzgebers, inhaltliche Vorgaben an Unternehmen mit organisatorischen Anweisungen zu flankieren wie z.B. der Entwurf der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) der EU. Dass dies nicht immer überzeugt, zeigt das Urteil des OLG Nürnberg.

[1] OLG Nürnberg, Urt. v. 30.03.2022 – 12 U 1520/19, Rn. 74 ff.; DB 2022, 2153 = NZG 2022, 1058.

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Genuß ohne Reue oder: Entlastet die Zustimmung des Aufsichtsorgans den Geschäftsleiter im Rahmen der Business Judgment Rule?

Hat der Aufsichtsrat oder Beirat eines Unternehmens einer Maßnahme der Geschäftsleitung im Vorfeld zugestimmt und verursacht die Maßnahme später Schaden, so fragen die auf Schadensersatz verklagten Geschäftsleiter in der Praxis immer wieder, ob das Verhalten des Aufsichtsorgans sie nicht entlastet. Jedoch kann sich nach der Rechtsprechung und § 93 Abs. 4 S. 2 AktG ein Gesellschaftsorgan grundsätzlich nicht durch Verweis auf Verfehlungen anderer Organe entlasten. Eine andere Frage ist es aber, ob das Verhalten des Aufsichtsorgans im Rahmen der Business Judgment Rule zu einer Entlastung führen kann, nämlich dann, wenn sich aus dem Verhalten des Aufsichtsorgans ableiten ließe, dass die schadenstiftende Maßnahme „vertretbar“ war. Der nachfolgende Beitrag bejaht die Frage. Sie spielt in vielen D&O-Streitigkeiten eine Rolle, und sie hat Konsequenzen für die Zusammenarbeit zwischen den Organen.

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Verbessern Unternehmensstrafen die Compliance? Empirische Befunde mit verfassungsrechtlichen Konsequenzen

Bekanntlich ist der Unterzeichner der Ansicht, dass die von der Großen Koalition geplanten Unternehmensstrafen die Falschen treffen und die Grundrechte der Aktionäre verletzen (vgl. die gemeinsame Stellungnahme mit Herrn Prof. Strenger und Frau Prof. Redenius-Hövermann gegenüber dem Bundesministerium der Justiz, ZIP 2020, 1160).
Neben den rechtlichen Erwägungen, aus denen sich die Ungeeignetheit und damit Verfassungswidrigkeit des Vorhabens ergibt, beruhen die Überlegungen der Großen Koalition auf veralteten empirischen Prämissen. Dies zeigen die Befunde der neueren empirischen Forschung. Der nachfolgende Beitrag stellt diese Befunde zusammen und verdeutlicht, dass dem Vorhaben die Evidenzbasis fehlt. Dies bestärkt, dass Unternehmenssanktionen die Grundrechte der Anteilseigner verletzen. Eine ausführlichere Darstellung des Themas findet sich bei Reuter, EU Corporate Fines Hit the Wrong and Fail their Purpose, European Criminal Law Review (EuCLR), Jg. 10 (2020), S. 365 ff., DOI: 10.5771/2193-5505-2020-3-365.

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