Haftung und Regreß

Die EU-Lieferkettenrichtlinie als integrierter ESG-Baustein: Unverhältnismäßige Wirkungen

Über den Entwurf der EU-Lieferkettenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive oder CSDDD-E) ist nach Abstimmung im „Trilog“ der Arbeitsebenen von Rat, Kommission und Parlament auf politischer Ebene wieder eine Debatte entbrannt. Auch aus juristischer Sicht zu recht: Denn der CSDDD-E verletzt das Gebot der Verhältnismäßigkeit, das nach dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) auch im EU-Recht gilt und den entgegengesetzten Konsens bricht, der im Trilog der Arbeitsebenen erzielt wurde. Denn die CSDDD würde nach ihrem Entwurf erheblich in Grundrechtspositionen der Unternehmen eingreifen, namentlich in die unternehmerische Freiheit, die Berufsfreiheit, das Recht auf Arbeit und das Eigentumsgrundrecht (Art. 15 ff. EU Grundrechtecharta; „GRCh“). Diese Rechte und Freiheiten der Unternehmen sind zwar naturgemäß nicht absolut, sondern können eingeschränkt werden, aber nur, soweit dies verhältnismäßig ist. Bedenkt man die integrierten Wirkungen der multiplen ESG-Regulierungen der EU, so erweist sich in der Tat die Unverhältnismäßigkeit des CSDDD-E. Der vorliegende Beitrag soll in der gegenwärtigen rechtspolitischen Debatte nochmals auf diese rechtlichen Ankerpunkte hinweisen.

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Neues zum Bußgeldregress: LG Dortmund bejaht, OLG Düsseldorf verneint den Regress wegen GWB-Unternehmensbußen gegen das Management

Werden Unternehmen für Rechtsverstöße Bußgelder auferlegt, so stellt sich die Frage, ob die Unternehmen die Geschäftsleiter, die für den Verstoß verantwortlich sind, in Regreß nehmen können. Die Frage ist umstritten. Je höher Bußgelder werden, desto wichtiger wird sie. Wegen ihrer exorbitanten Höhe nähren insbesondere Bußgelder wegen Verstößen gegen europäisches und nationales Kartellrecht die Diskussion. Zwei ganz neue - konträre - Urteile des LG Dortmund und des OLG Düsseldorf, aber auch der Gesetzgeber geben der Diskussion neue Impulse.

Der Artikel resumiert die neuen Entscheide und zieht die Konsequenzen für die Praxis: Prozessual ist der BGH gefordert. Solange die Thematik nicht letztinstanzlich entschieden ist, können Aufsichtsorgane, die über die Geltendmachung von Ansprüchen in derartigen Fällen zu entscheiden haben, von deren Geltendmachung aber nicht allein mit dem Argument absehen, Regress sei rechtlich nicht möglich. Sie müssen auch die Regeln zur Verjährung beachten, die LG Dortmund und OLG Düsseldorf zum Verjährungsbeginn ausgearbeitet haben. Offen ist weiter die Frage, wie die Verhälnisse im EU-Recht liegen. Auch gibt der BISG-E des deutschen Gesetzgebers neue Impulse. Am Ende stellt sich auch die Frage, ob das Gesamtsystem der Unternehmensbußen nicht an einem systemischen Fehler krankt.

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Die ESG-Regeln der EU: Multiple verbundene Eingriffe mit unverhältnismäßigen Folgen

Am 01.06.2023 hat das EU-Parlament den Entwurf der Corporate Sustainability Due Diligence Directive[1] (CSDDD) auf den Weg gebracht. Die CSDDD soll eine weitere zentrale Säule des Regelungsgebäudes für „Corporate Social Responsibility“ (CSR) und „Environment/Social/Governance“ (ESG) werden, das die EU derzeit errichtet. Im Folgenden soll zunächst Überblick über die Vorschriften vermittelt werden. Die Vorschriften erweitern und schärfen den Begriff der „Nachhaltigkeit“ erheblich und machen sich die Instrumente der Rechnungslegung und des Gesellschaftsrechts dienstbar[2]. Zweck ist es, Investitionen zu lenken, die gesamte EU-Volkswirtschaft zu transformieren, die Unternehmen hierzu in die Pflicht zu nehmen und Dritten Klagemöglichkeiten einzuräumen. Die Vorschriften bringen hohe Kosten und sonstige Belastungen für die Unternehmen mit sich. Vielfach sind die Regeln freilich für den Schutz von Klima, Umwelt und Menschrechten weder notwendig, noch geeignet; dies gilt insbesondere für den Bereich der „Governance“. Dies rückt den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in den Blick, der dem Gesetzgeber auf EU- und nationaler Ebene Schranken setzt. Die Unternehmen sollten im anstehenden politischen Prozess darauf pochen, dass die Verhältnismäßigkeit gewahrt wird. Das gilt nicht nur für die CSDDD, sondern auch für die die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichtserstattung der Unternehmen[3] (Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)) und ihre Umsetzung.

[1] Vorschlag für eine Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2019/1937, COM/2022/71 final, Dokument 52022PC0071, Ziff. 1 der Begründung.

[2] Vgl. Schön, „Nachhaltigkeit“ in der Unternehmensberichterstattung, ZfPW 2022, 207, 210, auch zu den internationalen Bezügen.

[3] Richtlinie 2013/34/EU vom 26.06.2013 in der Fassung der Richtlinie (EU) 2022/2464 vom 14.12.2022 („Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung“ oder „Corporate Sustainability Reporting Directive [CSRD]“)

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Befreit vernünftige Organisation die Geschäftsleitung von Haftung? OLG Nürnberg zu Vier-Augen-Prinzip und Compliance Management Systemen

Nach der Business Judgment Rule („BJR“) haften Unternehmensorgane nicht, solange ihre Entscheidungen „vernünftig“ vorbereitet und begründet sind und das Unternehmen „vernünftig“ organisiert ist. Organisation ist nicht „alles“, bietet dem Geschäftsleiter aber die Chance, unternehmerisch zu führen, ohne sich in Haftung zu verstricken. Was eine vernünftige Organisation ist, ist zunächst ebenfalls eine unternehmerische Frage. Ein Entscheid des OLG Nürnberg von 2022 macht aber deutlich, dass die Gerichte nicht davor zurückscheuen, organisatorische Standards aufzustellen. Das steht im Einklang mit der wachsenden Neigung des Gesetzgebers, inhaltliche Vorgaben an Unternehmen mit organisatorischen Anweisungen zu flankieren wie z.B. der Entwurf der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) der EU. Dass dies nicht immer überzeugt, zeigt das Urteil des OLG Nürnberg.

[1] OLG Nürnberg, Urt. v. 30.03.2022 – 12 U 1520/19, Rn. 74 ff.; DB 2022, 2153 = NZG 2022, 1058.

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Genuß ohne Reue oder: Entlastet die Zustimmung des Aufsichtsorgans den Geschäftsleiter im Rahmen der Business Judgment Rule?

Hat der Aufsichtsrat oder Beirat eines Unternehmens einer Maßnahme der Geschäftsleitung im Vorfeld zugestimmt und verursacht die Maßnahme später Schaden, so fragen die auf Schadensersatz verklagten Geschäftsleiter in der Praxis immer wieder, ob das Verhalten des Aufsichtsorgans sie nicht entlastet. Jedoch kann sich nach der Rechtsprechung und § 93 Abs. 4 S. 2 AktG ein Gesellschaftsorgan grundsätzlich nicht durch Verweis auf Verfehlungen anderer Organe entlasten. Eine andere Frage ist es aber, ob das Verhalten des Aufsichtsorgans im Rahmen der Business Judgment Rule zu einer Entlastung führen kann, nämlich dann, wenn sich aus dem Verhalten des Aufsichtsorgans ableiten ließe, dass die schadenstiftende Maßnahme „vertretbar“ war. Der nachfolgende Beitrag bejaht die Frage. Sie spielt in vielen D&O-Streitigkeiten eine Rolle, und sie hat Konsequenzen für die Zusammenarbeit zwischen den Organen.

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